Dekanat Rüsselsheim

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        Fronleichnam - eine kleine Nachbetrachtung

        Glockenschlag vom 23.5.2016

        Die Augustiner Chorfrau Juliana von Lüttich berichtete im Jahr 1209 von einer Vision, in der sie den Vollmond mit einem abgebrochenen Stück gesehen und von Christus die Deutung erhalten zu haben, dass dem Kirchenjahr ein Fest fehle, an dem die Einsetzung des Altarsakramentes in feierlicher Weise begangen werde.

        So machte man das damals, wenn man einer Idee eine entsprechende Wirkung verschaffen wollte. Heute braucht man dazu nur eine einflussreiche Medienredaktion, der man die Idee als Gerücht zuspielt. Andere Zeiten – andere Medien – gleiche Wirkung: Knapp vierzig Jahre später wurde das Fest zum ersten Mal in Lüttich gefeiert und weitere 15 Jahre später von Papst Urban IV. mit einer päpstlichen Bulle zum jährlichen Fest der Gesamtkirche erhoben – zum ersten Mal übrigens, dass ein Papst ein Fest in den kirchlichen Kalender eintrug.

        Kein Wunder also, dass 250 Jahre später Martin Luther mit diesem Fronleichnamfest wenig anzufangen wusste. »Ich bin keinem Fest mehr feind ... als diesem. Denn es ist das allerschändlichste Fest. An keinem Fest wird Gott und sein Christus mehr gelästert, denn an diesem Tage und sonderlich mit der Prozession. Denn da tut man alle Schmach dem heiligen Sakrament, dass man’s nur zum Schauspiel umträgt und eitel Abgötterei damit treibet. Es streitet mit seiner Schmink und erdicht’en Heiligkeit wider Christi Ordnung und Einsetzung. Denn er (Christus) es nicht befohlen hat also umherumtragen. Darum hütet euch vor solchem Gottesdienst!«, schrieb er 1520 in einer Postille.

        Luther spielte damit auf den Zusammenhang des Fronleichnamsfestes mit dem Gründonnerstag an, dem Tag der Einsetzung des Abendmahles durch Christus. Weil in der Woche vor Ostern keine prunkvollen Festivitäten und Umzüge erlaubt waren, hatte man das Fest des Altarsakramentes auf den Donnerstag nach der Pfingstwoche gelegt und damit 60 Tage nach Ostern.

        Mit den Einlassungen Luthers war der Streit um das Fest entbrannt und die Reaktion der Gegenseite ließ nicht lange auf sich warten. Bereits im Konzil von Trient, dem Startschuss der Gegenreformation, wurde das Fest zur antireformatorischen Demonstration aufgewertet und dementsprechend auch lange Zeit vielerorts begangen: »So mußte denn die siegreiche Wahrheit über Lüge und Häresie triumphieren, damit ihre Widersacher beim Anblick eines so großen Glanzes und in solchem Jubel der ganzen Kirche niedergestreckt, entweder gelähmt und gebrochen vergehen oder mit Scham erfüllt und verwirrt endlich zur Besinnung gelangen«, hieß es in dem Dokument. Dabei schoss die Ausgestaltung der Feierlichkeit an manchen Orten dermaßen ins Kraut, dass ab dem 18. Jahrhundert von der Obrigkeit gesetzliche Beschränkungen erlassen wurden. Im Kurfürstentum Bayern 1781 wurde beispielsweise das massenhafte Abholzen von Birken untersagt.

        Dies alles mehr oder weniger im Hinterkopf, war meine Überraschung nicht gerade gering, als mich während meines Studiums ein Kommilitone ansprach: der katholische Kantor suche für die bevorstehende Fronleichnamsprozession händeringend Bläser, die aber gäbe es unter den Katholiken in Marburg nicht. Nun, unter den evangelischen Theologiestudenten gab es genügend, um daraus ein kleines Bläserensemble zu bilden und der »Job« war vergleichsweise einfach, dafür aber gut bezahlt. So siegte also der schnöde Mammon über Luthers (un-)heiligen Zorn und wir verschafftem dem Gottesdienst in Marburgs Sportarena über mehrere Jahre den musikalischen Background.

        Marburgs Kantor war nicht der Einzige, der auf diese Idee kam. Die Bischofsheimer wissen, dass der Evangelische Posaunenchor schon seit vielen Jahren die Fronleichnamsprozession im Ort begleitet. Dabei spielt Geld übrigens keine Rolle. Vielmehr ist das Engagement der Bläserinnen und Bläser – wenn man so will – getragen von der Devise des an Pfingsten verabschiedeten Mainzer Bischofs Karl Lehmann, dass es zur Ökumene keine Alternative gibt. Und es wirft zugleich – wie ich finde – ein bezeichnendes Licht auf das, was Ökumene und darüber hinaus menschliches Miteinander ausmacht: Man muss das Verständnis des Fronleichnamsfestes und der katholischen Eucharistiefeier nicht unbedingt teilen und kann sich dennoch mit seinen Möglichkeiten den katholischen Schwestern und Brüdern zur Verfügung stellen und ihnen damit das für sie wichtige Fest verschönern.

        Man muss das eigene Verständnis, die eigenen Grundsätze und Einstellungen nicht aufgeben, um für andere da zu sein, man muss nur die Angst vor den Anderen und vor dem Anderen abbauen. Und das gilt gewiss nicht nur im Verhältnis von Protestanten und Katholiken.

        Es grüßt Sie herzlichst
        Ihr Pfr. Klaus Bastian

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