Dekanat Rüsselsheim

Angebote und Themen

Herzlich Willkommen! Entdecken Sie, welche Angebote des Dekanates Rüsselsheim - Groß Gerau zu Ihnen passen. Über das Kontaktformular sind wir offen für Ihre Anregungen.

        AngeboteÜbersicht
        Menümobile menu

        Männergesprächskreis

        Tabuthema Depression bei Männern

        Nach dem letzten Männertreff am 26. August 2021, zu dem Gemeindepädagoge Jörg Wilhelm Interessierte zum Thema "Psychische Belastungen und was man dagegen tun kann" eingeladen hatte, hat Jörg Wilhelm wichtige Informationen zum Thema "Tabuthema Depression" bei Männern in einem Artikel zusammengestellt.

        Von Jörg Wilhelm:  

        Bei der Vorbereitung des aktuellen Themas für den Männergesprächskreis des Dekanats zum Thema "Psychische Belastungen am Arbeitsplatz" kristallisierten sich mehrere Schwerpunkte heraus. Einer dieser Schwerpunkte betrifft die Thematik "Depression", um die es im folgenden gehen soll, denn in unserer Gesellschaft und für nicht wenige Menschen, vor allem auch Männer, ist das Thema ein Tabu.

        Vorab Zahlen und Fakten:
        ·         Laut öffentlichen Zahlen verursachten im Jahr 2015 psychische Störungen Krankheitskosten in Höhe von rund 44,4 Milliarden Euro (= ca. 13,1% aller Krankheitskosten)
        ·         Psychisch belastete oder sogar erkrankte Mitarbeitende kosten Staat, Gesellschaft und Arbeitgeber Geld, Motivation und Moral
        ·         2018: 15,8% aller AU-Tage entfielen auf psychische und Verhaltensstörungen (gegenüber 2004 fast eine Verdoppelung)
        ·         Bei Frühverrentungen stellten 2018 die psychischen Erkrankungen mit 42,7% die Hauptursache
        ·         24% der Beschäftigten fühlten sich 2018 auf der Arbeit seelisch stark belastet oder (negativem) großen Stress ausgesetzt, davon 16% mit leichteren depressiven Symptomen und 8% mit konkreten Depressionen
        ·         Im Jahr 2018 waren 12,1% der Betroffenen, die sich in ambulanter Behandlung befanden, krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Frauen und Männer sind im Mittel gleich häufig betroffen. 2,2 Millionen Menschen hatte Fehltag aufgrund psychischer Erkrankungen
        ·         Nach Daten der Krankenversicherungen und des Statistischen Bundesamtes entfallen rund 60 Prozent der AU-Tage aufgrund von Depression auf Frauen, dagegen aber 75 Prozent der Suizide auf Männer. Die Zahl der diagnostizierten Depressionen ist bei Frauen sogar doppelt so hoch wie bei Männer, obwohl beide Geschlechter vermutlich in ähnlichem Umfang betroffen sind.
        ·         Ca. 90 Prozent aller Depressiven haben Schlafstörungen.
        ·         Psychisch bedingte Krankheitsfälle sind im Durchschnitt 3x länger als andere Erkrankungen ( 38,9 zu 13,2 Tagen)
        Es ist eindeutig: Psychische Belastungen am Arbeitsplatz sind relevant in unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung. Depressionen sind Bestandteil davon und Männer wie Frauen gehen anders damit um. 

        Kurzdefinition von Depression:

        „Depression“ leitet sich aus dem lateinische von deprimere = niederdrücken ab. Es ist eine psychische Erkrankung und behandelt wird sie unter anderem mit Psychotherapien und Medikamenten (Antidepressiva). Im Alltag wird das Wort für vieles benutzt und auch oftmals nicht wirklich ernst genommen. Sie ist aber eine behandlungsbedürftige Krankheit, da sie sich der Willenskraft, Beeinflussung und Selbstdisziplin der Betroffenen entzieht. Als Krankheit führt sie zu Arbeitsunfähigkeiten und Frühverrentungen und sie ist der Auslöser rund 50% aller Suizide.
        Bei Menschen mit Depressionen dauern Gefühle länger an und nehmen Einfluss auf das Leben. Vor allem sind es eher „negative“ Gefühle wie sich "schlecht" fühlen“, sich "niedergeschlagen" fühlen, sich "traurig" fühlen, sich "apathisch" fühlen, sich "gedrückt" fühlen. Man "grübelt", hat das Gefühl von Hoffnungslosigkeit, verspürt verminderten Antrieb. Folgen sind z.B. die Vernachlässigung von Alltagstätigkeiten, von Arbeitsanforderungen, von FreundInnen, Familien und Hobbys bis hin zu fehlenden Einkäufen und mangelnder Hygiene. 

        Warum ein besonderes Problem bei und für Männer:

        Männer und Frauen reagieren unterschiedlich auf Depressionen und die Gesellschaft bewertet Depressionen unterschiedlich! So galt die Depression lange Zeit vor allem eher als Frauenkrankheit, und bei Männern wurde sie als Zeichen der Schwäche (= nicht männlich genug; das Rollenbild verlangt von Männern „stark sein“ und alleine kämpfen.) angesehen! Daher blieben und bleiben Depression bei Männer nicht selten unerkannt und sie zeigten und zeigen sich oft anders als bei Frauen. Der allgemeine Umgang von Männern mit Gesundheit führt zudem dazu, dass sie sehr oft keine Hilfe suchen, sondern sich anders zu „therapieren“ versuchen wie mit Alkohol, mit Gereiztheit und Aggression (statt Traurigkeit), mit Wut und Gewalt, mit Flucht in die Arbeit oder mit der Ausrede „Burnout“, mit exzessivem Sport oder mit hohem Medienkonsum, mit Eingehen von Risiken oder mit Aktionismus mit pedantischem Verhalten, Makellosigkeit und Sauberkeit oder sie entwickeln psychosomatische Symptome bis hin zu Potenzproblemen und keine Lust auf Sex.
        Fazit: Klassische Merkmale einer Depression, so wie sie mehrheitlich bei Frauen diagnostiziert werden, werden bei Männern nicht gesehen und erkannt, daher auch die verbreitete Ansicht, es sei eher eine Frauenkrankheit.
        Einschub zu Winston Churchill:
        Churchill war und ist einer der bekanntesten britischen Politiker und auch einer der umstrittensten. Für die einen ist er der Kriegsheld schlechthin gegen Hitler, für die anderen ein Kolonialist, Rassist, Kriegsverbrecher und Antisemit. Churchill litt zeit seines Lebens unter Depressionen, die er "Black Dog" nannte. Sein Umgang damit ist ein geradezu klassisches Beispiel für einen "männlichen" Umgang mit Depression. Ihm geht es immer dann gut, wenn er seine Depression mit Gewalt und Aggression verdrängen kann, innenpolitisch wie außenpolitisch. Klappt das nicht, tritt der "Black Dog"  umgehend wieder. zutage. Was wäre wohl gewesen, wenn sich Churchill frühzeitig hätte behandeln lassen, z.B. mit Medizin und Therapie?

        Für Männer gilt insgesamt vor allem die Devise „Kampf statt Flucht“ und das verbunden mit ausweichen und negieren. So wird eine Depression gerne zu einem Burnout umformuliert, denn bei einem Burnout kann der Mann behaupten, vorher "noch richtig was geleistet zu haben". Die Burnout-Syndrome (ausgebrannt sein) entstehen demnach, weil der Mann "alles gegeben hat", quasi Selbstaufopferung und Selbstaufgabe im scheinbaren Sinn einer Heldentat. Krankheit oder Ausfall wegen einer "psychischen Schwäche"?  Das ist nicht erwünscht, nicht gerne gesehen und gilt als unmännlich. Insofern sind noch immer bestehende Kriterien von Männlichkeit in der Arbeitswelt (Leistung, Selbstbewusstsein, Erfolg, Geradlinigkeit und Unabhängigkeit)  in unserer Gesellschaft (und nicht nur hier) Mitschuld daran, dass sich Männer anders verhalten als Frauen. Wer sich dem entzieht/entziehen muss, gilt viel zu oft als schwach und Männer wollen/müssen lieber als stark gesehen werden, jedenfalls in vielen Bereichen der Wirtschaft, der Politik und der Gesellschaft. Exemplarisch dafür stehen die Suizide der Fußballprofis Robert Enke im Jahre 2009 und von Andreas Biermann im Jahre 2014.

        Die Angst, sich mit einer Depression zu outen ist daher ein ähnlich großes Tabu, wie sich als Profi-Fußballer zur eigenen Homosexualität zu bekennen, aber dieses Prinzip ist auch in anderen Teilen der Gesellschaft immer wieder zu erkennen.  Es gibt dazu unter anderem zwei Sätze, denen man immer mal wieder begegnet. 1. Frauen weinen - Männer sterben! 2. Frauen lassen sich behandeln - Männer bringen sich um!

        Babak Rafati, ein ehemaliger FIFA- und DFB-Schiedsrichter, brachte es mit diesen Worten auf den Punkt: "Man kennt das ja, man ist Mann, man ist stark und drückt erst mal die Gefühle weg und kämpft. Ich habe Schweißausbrüche gehabt, ich hatte panische Angst, Fehler zu machen. Die ganzen Symptome wie Herzschmerz, Schlaflosigkeit, Beklemmungsgefühl – ich hab das alles gehabt, aber ich hab´s einfach ignoriert. Ich habe mich emotional zurückgezogen, auch der Kontakt zur Partnerin ging verloren – aber das war ein schleichender Prozess, Du selbst merkst das gar nicht. Und am Ende war es dann so, dass ich einfach keine Kraft und keine Lust zu leben mehr hatte."
        Dass die bei weitem überwiegende Zahl erfolgreicher und versuchter Suizide von Männern begangen werden, ist eine bittere Konsequenz daraus.

        Was tun!
        Männer wie Frauen müssen begreifen, dass Depression eine Krankheit ist, die alle betreffen kann, egal wie psychisch stabil ein Mensch wirkt. Eine Depression ist keine Schwäche, erst recht kein Angriff auf die Männlichkeit - und sie kann behandelt werden. Zu Psychotherapeut*innen zu gehen ist keine Schande, eher ein Zeichen der Stärke, denn man gesteht sich die Krankheit ein und geht aktiv mit ihr um, statt sie zu verdrängen und damit sich selbst und andere zu schädigen oder im schlimmsten Fall sogar zu töten, wie Piloten-Suizide belegen, unter anderem der Absturz des Germanwings-Flugs 9525 im Jahr 2015.

        Hilfe- und Beratungsstellen:
        www.deutsche-depressionshilfe.de
        - www.depressionsliga.de
        - Im Kreis Groß-Gerau: www.bgd-gg.de

        Diese Seite:Download PDFDrucken

        to top